In vielen Teams sind Rollenmodelle wie die Teamrollen nach Belbin ein beliebtes Werkzeug, um Dynamiken besser zu verstehen und die Zusammenarbeit zu verbessern. Oder es werden die einzelnen Teammitglieder nach den Modellen DISG, Myers-Briggs Type Indicator (MBTI) oder Insights Discovery zugeordnet und beschrieben. Doch wie bei jeder Methode, die Menschen kategorisiert, bergen diese Ansätze eine potenzielle Gefahr: das Verharren in starren Rollenbildern und das Entstehen von Vorurteilen.
Belbin-Teamrollen: Ein Überblick
Die von Meredith Belbin entwickelten Teamrollen bieten eine wertvolle Grundlage, um die Stärken und Präferenzen einzelner Teammitglieder zu erkennen. Belbin unterscheidet zwischen neun verschiedenen Rollen, wie etwa dem Koordinator, der Ordnung und Struktur bringt, oder dem Wegbereiter, der neue Ideen in Bewegung setzt. Ziel ist es, die individuellen Talente im Team sichtbar zu machen und so eine effektivere Zusammenarbeit zu ermöglichen.
Dieses Modell ist jedoch – wie jedes typologische Werkzeug – nur dann sinnvoll, wenn es als Orientierung dient und nicht als feste Einordnung verstanden wird.
Die Gefahr des Schubladendenkens
Das Problem beginnt, wenn Rollenmodelle zur Basis von Vorurteilen werden. Schnell kann es passieren, dass Menschen auf eine bestimmte Rolle reduziert werden: „Er ist eben ein Koordinator, deshalb kann er keine kreativen Ideen entwickeln.“ Solche Stereotype ignorieren die Vielschichtigkeit der Persönlichkeit und die Möglichkeit, sich zu entwickeln.
Eine solche Vereinfachung hemmt nicht nur die persönliche Weiterentwicklung, sondern verhindert auch, dass Teams ihr volles Potenzial entfalten. Menschen werden in Kategorien „eingesperrt“, die möglicherweise gar nicht ihrer tatsächlichen Persönlichkeit oder ihren langfristigen Stärken entsprechen.
Typologien als Werkzeug, nicht als Diagnose
Modelle wie Belbins Teamrollen oder Tests wie der MBTI (Myers-Briggs-Typenindikator) sollten nie dazu verwendet werden, Mängel zu diagnostizieren oder Menschen auf Defizite zu reduzieren. Stattdessen liegt ihr Wert darin, das Nützliche sichtbar zu machen: Welche Stärken bringen Menschen mit, welche Potenziale lassen sich entfalten?
Wenn solche Modelle flexibel eingesetzt werden und Raum für persönliche Entwicklung lassen, können sie eine große Bereicherung sein. Sie helfen Teams, einander besser zu verstehen, Synergien zu nutzen und Konflikte zu vermeiden. Gleichzeitig ist es wichtig, sich stets bewusst zu machen, dass Menschen weit mehr sind als die Summe einiger Merkmale.
Wie man Rollenmodelle sinnvoll einsetzt
Verstehen, nicht festlegen: Nutzen Sie Rollenmodelle, um Dynamiken zu analysieren, aber vermeiden Sie, Menschen auf eine Rolle zu beschränken.
Individuelle Entwicklung fördern: Sehen Sie Rollen nicht als Endpunkt, sondern als Ausgangspunkt, um Stärken zu entdecken und weiterzuentwickeln.
Flexibilität bewahren: Menschen können in unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Rollen einnehmen. Ein „Wegbereiter“ kann in einem anderen Kontext auch ein „Spezialist“ sein.
Bewusstsein für Vorurteile schaffen: Reflektieren Sie regelmäßig, ob Sie unbewusst Stereotype anwenden oder andere unbewusst durch Ihre Erwartungen begrenzen.
Fazit:
Rollenmodelle als Wegweiser, nicht als Schranke
Belbins Teamrollen und ähnliche Typologien sind Werkzeuge, keine Wahrheiten. Sie helfen uns, Komplexität zu strukturieren und wertvolle Einblicke in die Teamarbeit zu gewinnen. Doch ihre wahre Stärke liegt darin, Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen, nicht, Menschen in Schubladen zu stecken. Wenn wir sie flexibel, bewusst und kritisch einsetzen, können sie dazu beitragen, Teams zu stärken – und nicht zu begrenzen.
Solche Ansätze sollen inspirieren, nicht definieren. Denken Sie daran: Jedes Teammitglied bringt unzählige Nuancen und Stärken mit, die über jede Rolle hinausgehen. Lassen Sie sich von Modellen leiten, aber niemals einschränken.
Ergänzend:
Persönlichkeits- und Rollenmodellen
Belbin-Teamrollen
Das Modell der Belbin-Teamrollen wurde entwickelt, um die Dynamiken innerhalb von Teams zu analysieren und die Zusammenarbeit zu verbessern. Es unterscheidet neun Rollen, die jeweils spezifische Stärken und potenzielle Schwächen mitbringen:
Kommunikationsorientierte Rollen
Koordinator*in: Führt das Team zusammen und fördert die Zielerreichung.
Teamplayer*in: Sorgt für eine gute Atmosphäre und fördert die Zusammenarbeit.
Netzwerker*in: Knüpft und pflegt Kontakte nach außen.
Wissensorientierte Rollen
Neuerer*in: Bringt kreative Ideen und Innovationen ein.
Spezialist*in: Verfügt über spezifisches Fachwissen.
Beobachter*in: Analysiert und prüft die Machbarkeit von Ideen.
Handlungsorientierte Rollen
Gestalter*in: Setzt Ziele und ist oft die treibende Kraft.
Umsetzer*in: Setzt Pläne effizient in die Tat um.
Perfektionist*in: Achtet auf Details und sichert die Qualität.
Das Ziel des Modells ist es, die Rollen zu identifizieren, die in einem Team vertreten sind, um Synergien zu nutzen und mögliche Lücken zu schließen. Wichtig ist jedoch, die Flexibilität zu bewahren und keine starren Schubladen zu schaffen.
DISG-Modell
Das DISG-Modell (auch DISC genannt) basiert auf vier Hauptverhaltensdimensionen, die verschiedene Persönlichkeitstypen beschreiben:
Dominant (D): Direkt, entschlossen, ergebnisorientiert und manchmal dominant.
Initiativ (I): Kontaktfreudig, begeisterungsfähig und inspirierend.
Stetig (S): Teamorientiert, loyal und geduldig.
Gewissenhaft (G): Detailorientiert, analytisch und organisiert.
Das DISG-Modell wird häufig in Führungskräfteentwicklungen und Teamentwicklungsprozessen eingesetzt, um Verhaltenspräferenzen zu erkennen und die Kommunikation zu verbessern.
Myers-Briggs Type Indicator (MBTI)
Der MBTI basiert auf der Typentheorie von Carl Jung und unterteilt Persönlichkeiten anhand von vier Dimensionen:
Extraversion (E) vs. Introversion (I): Wie Menschen ihre Energie gewinnen – durch soziale Interaktion oder Rückzug.
Intuition (N) vs. Sensing (S): Wie Menschen Informationen aufnehmen – durch Muster und Zusammenhänge oder konkrete Fakten.
Thinking (T) vs. Feeling (F): Wie Entscheidungen getroffen werden – durch Logik und Analysen oder basierend auf Werten und Gefühlen.
Judging (J) vs. Perceiving (P): Wie Menschen mit der Welt umgehen – strukturiert und planend oder flexibel und spontan.
Der MBTI ist eines der bekanntesten Modelle, das vor allem für Selbstreflexion und Teamentwicklung genutzt wird. Auch hier gilt: Es geht um ein besseres Verständnis, nicht um starre Einordnungen.
Insights Discovery
Das Insights Discovery-Modell kombiniert die Typologie von Carl Jung mit einer leicht verständlichen Farbsymbolik:
Cool Blue: Analytisch, präzise und zurückhaltend.
Earth Green: Einfühlsam, loyal und unterstützend.
Sunshine Yellow: Optimistisch, energisch und kontaktfreudig.
Fiery Red: Direkt, dynamisch und ergebnisorientiert.
Dieses Modell ist besonders beliebt in der Unternehmenswelt, da es durch die Farben eine intuitive und visuell ansprechende Methode bietet, um Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen zu verstehen.
Fazit:
Sinnvolle Nutzung dieser Modelle
Ob Belbin, DISG, MBTI oder Insights Discovery – alle diese Modelle haben ihre Berechtigung und ihren Wert, wenn sie richtig eingesetzt werden. Sie sollen nicht dazu dienen, Menschen auf Kategorien zu reduzieren, sondern dabei helfen, Verhaltensmuster zu erkennen und Potenziale zu entfalten. Der Fokus sollte darauf liegen, Stärken sichtbar zu machen und die Vielfalt innerhalb eines Teams zu fördern, ohne die Weiterentwicklung zu blockieren oder Vorurteile zu verstärken.
Kein Modell kann die Komplexität eines Menschen vollständig erfassen. Es sind Hilfsmittel, keine Schablonen. Der Mensch bleibt immer mehr als die Summe seiner Merkmale!
Ich freue mich auf eure Rückmeldungen, eure Erfahrungen und über einen Austausch!
Mag. a (FH) Silvia Helga Faulhammer, MSc.,
desenz Agentur für Kommunikationsberatung
Josef-Schwer-Gasse 13 . 5020 Salzburg
Mobile Phone: +43 664 85 3 90 11
E-Mail: silvia.faulhammer@desenz.at
Quellen und Literatur:
Belbin Associates (2019): The Nine Belbin Team Roles. Online unter:
Belbin, R. Meredith (1981): Management Teams: Why they succeed or fail. Oxford:
Butterworth-Heinemann
Hofert, Svenja (2021): Agiler führen: Einfache Maßnahmen für bessere Teamarbeit, mehr
Leistung und höhere Kreativität. Wiesbaden: Springer Gabler
Hofert, Svenja/Visbal, Thorsten (2021): Teams & Teamentwicklung: Wie Teams funktionieren
und wann sie effektiv arbeiten. München: Vahlen
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